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Besonders. Stark. Was Hochsensible Menschen können

Noch vor zehn Jahren kannte den Begriff Hochsensibilität kaum jemand. Nur wenige hatten eine konkrete Vorstellung davon, was er tatsächlich bedeutet. Die Thematik wurde eher belächelt als ernst genommen. Inzwischen ist Hochsensibilität keine zweifelhafte Randerscheinung mehr. Sie ist längst in unserer Gesellschaft angekommen. Gängige Suchmaschine liefern für das Stichwort fast zwei Millionen Treffer, es gibt eine Unmenge an Büchern, Medienberichten, Coaching- und sogar Shopping-Angeboten. Immerhin gelten 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung als hochsensibel, das sind allein in Deutschland zwischen 12 und 16 Millionen.
 

Allerdings haben diese Menschen noch immer mit Vorurteilen und Stigmatisierung zu kämpfen. Sie gelten oft als wenig belastbar, reizbar, launisch, überängstlich, unausgeglichen und schlicht anstrengend. Geht es um Hochsensibilität, fallen nicht selten Begriffe wie „Betroffene“ oder „Diagnose“. Dabei steht eines längst fest: Wir sprechen hier nicht über eine Krankheit, sondern über eine Charaktereigenschaft, ein Persönlichkeitsmerkmal wie beispielsweise die individuelle Augenfarbe. Und die bringt beileibe nicht nur Einschränkungen, Probleme und Schwierigkeiten mit sich. Im Gegenteil.

 

Wer besonders ist, hat auch besondere Talente.

Bei hochsensiblen Personen ist - laut allgemeiner Definition - die Empfindsamkeit gegenüber äußeren und inneren Reizen stärker ausgeprägt als üblich. Das betrifft also zum einen Dinge wie Licht, Geräusche oder Temperatur, zum anderen Gefühle und Gedanken – die eigenen und die anderer.

 

Unterstützer, Begleiter, Helfer

Menschen mit dieser Veranlagung haben äußerst feine Antennen für ihre Umwelt, begegnen ihr mit tiefer Empathie und Feinfühligkeit. Sie nehmen Stimmungen oder Verstimmungen in ihrer Umgebung oft schon auf den ersten Blick wahr, erkennen auch Emotionen oder Befindlichkeiten, die nicht direkt ausgesprochen werden.
Eine Fähigkeit, die in der allgemeinen Hektik und Oberflächlichkeit unseres Alltags selten geworden ist. Auch für Risiken, Bedrohungen oder Gefahren haben sie den sprichwörtlichen siebten Sinn. Dieses charakterliche Gesamtpaket eignet sich optimal für unterstützende oder begleitende Berufe – zum Beispiel in der Pflege, Betreuung oder der Seelsorge, als Mediator, Lehrer oder Therapeut.

 

Denker, Logiker, Problemlöser

Auch kognitiv sind Hochsensible Menschen für ihr Umfeld eine echte Bereicherung – sowohl persönlich als auch beruflich. Ihr Gefühl für Logik ist besonders stark ausgeprägt, komplizierte Zusammenhänge erfassen sie meist ohne Probleme. Ihre Merkfähigkeit ist überdurchschnittlich, neuen Input speichern sie schnell und dauerhaft. Das macht sie zum geborenen Lerner.
Durchdachte Planung liegt ihnen genauso wie lösungsorientiertes Denken. Sie reflektieren, analysieren und gehen den Dingen auf den Grund. Oft sind sie es, die neue Impulse geben, Ideen abseits der ausgetretenen Wege liefern, Innovationen anstoßen und vorantreiben. Sie sind also wie gemacht für Forschung, Entwicklung und Wissenschaft. Wobei sie nicht nur Wissen schaffen, sondern es auch gerne weitergeben. Als Journalisten beispielsweise, Autoren oder Coaches.

 

Feingeister, Freigeister, Kreative

Mindestens so begeisterungsfähig wie im kognitiven sind Hochsensible Menschen auch im kreativen Bereich. Da sie ihre Umwelt meistens intensiver und detaillierter erleben als ihre Mitmenschen, lassen sie sich von ihr leichter inspirieren. Egal ob in der Natur, Kunst, Kultur, Architektur, Kulinarik oder Alltäglichem – ihre Sinne sind offen für Schönes.
Es macht ihnen Freude und regt sie dazu an, selbst Schönes in die Welt zu bringen. Dieses Talent können sie in den verschiedensten Bereichen ausleben: Fotografie, Tanz, Gesang und Theater, Schriftstellerei, Landschafts- und Gartengestaltung, Kosmetik und Hairstyling, Gastronomie, Design, Mediengestaltung – überall da, wo Ideen, Impulse und Individualität zuhause sind. Dabei kommen ihnen ihre lebendige Fantasie und ihr beinahe grenzenloses Vorstellungsvermögen zugute.

Wo Kreativität bei vielen aufhört, fängt sie bei Hochsensiblen Menschen oft erst an. 

 

Teamplayer, Verhandlungsführer, Sprachrohr

Wenn es um Zwischenmenschliches geht, bringen Hochsensible Menschen Qualitäten mit, die für Unternehmen und Arbeitsumfeld echte Schlüsselkompetenzen sein können. Denn gute Kollegen/Kolleginnen und Vorgesetzte sind die Grundlage für ein produktives und gesundes Arbeitsklima. Als aufmerksame, aktive Zuhörer begegnen Hochsensible ihrem Gegenüber auf Augenhöhe und mit ehrlichem, nachhaltigem Interesse. Gerechtigkeit, Fairness und Zusammenhalt sind ihnen wichtig. Aufgaben werden im Team bewältigt, nicht auf dem Rücken einzelner ausgetragen. Probleme werden offen angesprochen, Kritikpunkte, Ideen, Wünsche und Vorschläge ernst genommen.
Nicht selten setzen sie sich für die Interessen der ganzen Abteilung oder ihres Teams ein, engagieren sich im Betriebsrat oder einer Gewerkschaft. Mit ihrem Gerechtigkeitssinn, ihrer Empathie und ihrem zugleich diplomatischen Auftreten gelten sie als starke Verhandlungsführer und Kommunikationsexperten. Außerdem eilt ihnen der Ruf des Perfektionisten voraus. Halbe Sachen sind nicht ihre Sache. Der Anspruch an sich selbst und die eigene Arbeit ist hoch. Davon profitieren nicht nur einzelne Projekte, sondern am Ende auch Unternehmen und Belegschaft.

 

Hochsensible - die Alleskönner?

Natürlich sind Hochsensible keine Superhelden. Nicht jedes dieser Talente trifft auf jeden gleichermaßen oder gleichermaßen stark zu. Nicht umsonst sind alle Menschen in erster Linie Individuen. Aber viele Personen mit einer solchen Veranlagung werden sich in einem oder mehreren dieser Punkte zumindest teilweise wieder erkennen. So vielseitig wie Hochsensible Menschen oft sind, so vielschichtig sind sie auch.

Und: Hochsensibilität bringt nicht automatisch nur Positives, Bereicherndes und Hilfreiches mit sich. Sondern sicher auch Herausforderungen, Erschwernisse und so manchen Stolperstein. Wer es aber schafft, die außergewöhnlichen Stärken seines besonderen Charakters zu schätzen und zu nutzen, wird Hochsensibilität als das verstehen, was sie ist: eine wertvolle menschliche Ressource.

 

15.11.2022