Fühlten Sie sich in einer Beziehung schon einmal richtig unwohl? Und haben Sie sich gefragt, wer Sie eigentlich noch sind und wo Ihre Grenzen geblieben sind?
Partnerschaften sind nicht immer einfach und es kann dafür Gründe geben, die oftmals aus unserer Kindheit oder anderen früheren Prägungen kommen. Tauchen bestimmte Beziehungsmuster und Verhaltensweisen immer wieder auf, so ist das ein guter Anlass, um bei sich selbst einmal genauer hinzuschauen.
Seien Sie frohen Mutes, denn Singles haben mehr Zeit und den Raum zu reflektieren, sich der Umstände bewusst zu werden und neue Wege zu gehen.
Auch IN einer Beziehung braucht es diesen Raum zur Reflexion und ein wenig Abstand, um eventuelle akute Beziehungsmuster als solche zu erkennen. Aber auch das ist machbar.
Weiter unten in diesem Beitrag stellen wir Ihnen praktische Tools und Buchempfehlen vor, mit denen Sie den ersten Schritt in Richtung glückliche Beziehung gehen dürfen.
Doch was genau sind eigentlich Beziehungsmuster?
Beziehungsmuster beziehen sich auf wiederkehrende Verhaltensweisen, Interaktionen und Dynamiken, die in zwischenmenschlichen Beziehungen auftreten. Diese Muster können sowohl positiv als auch negativ sein und beeinflussen, wie Menschen miteinander umgehen, kommunizieren und Konflikte lösen.
Um Beziehungsmuster zu verstehen, kann es hilfreich sein, zunächst das BeziehungsMOTIV (also die eigene Beziehungsmotivation) genauer zu betrachten. Warum bin ich in einer Beziehung mit diesem Menschen?
Bei ungünstigen Beziehungsmustern, die also meist zu einem negativen Ergebnis oder einer negativen Grundstimmung führen, können sowohl schwere Persönlichkeitsstörungen (z. B. Narzissmus) als auch nicht aufgearbeitete Themen aus dem eigenen Leben vorliegen.
So möchten wir nun an dieser Stelle Beziehungsmuster vorstellen, die durchaus so viel Kraft haben, eine Partnerschaft zu stören, unter Umständen sogar unmöglich zu machen:
Beziehungsmuster „Die Co-Abhängigkeit“
Vielleicht kennen Sie den Begriff und haben ihn schon mal in Zusammenhang mit Süchten gehört.
Hier hilft der Co-Abhängige dem Süchtigen, gibt ihm Geld oder besorgt ihm das, was er braucht. Dafür bekommt er Kontrolle und Macht über den Abhängigen.
Inzwischen hat sich dieser Begriff auch in Beziehungen etabliert und es lohnt sich hinzuschauen, wenn man betroffen ist. In einer co-abhängigen Beziehung könnte das Ganze so aussehen, dass eine Person sich aufopfert, anfangs vielleicht sogar Erfüllung und Gefallen darin findet, weil die andere Person ein Problem hat, mit dem er/sie sich selbst nicht auseinandersetzt. Die ständige, bedingungslose Hilfe der gebenden Person bringt die problembetroffene Person noch weiter weg davon, selbst Verantwortung zu übernehmen.
Anhand der Geschichte von Maja und Bernd wollen wir uns das einmal genauer ansehen:
Bernd und Maja lernen sich auf einer Feier bei Freunden kennen und verlieben sich ineinander.
Beide sind auf „Wolke 7“ und genießen ihr Miteinander. Bernd ist sehr zuvorkommend und liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Er will sie überall dabeihaben und vollkommen in sein Leben integrieren. Maja fühlt sich sehr wohl dabei und als Bernd sie nach einigen Monaten fragt, ob sie zu ihm zieht, willigt sie ein. Sie denkt, was könnte schöner sein, als mit so einem wunderbaren Mann zu leben.
Doch schon wenige Wochen nach dem Umzug wirkt Bernd jedoch immer öfter gestresst und ist manchmal auch ungehalten.
Was ist passiert?
Maja denkt, dass sie etwas falsch gemacht hat und versucht eine noch bessere Partnerin zu sein, ihm seine Wünsche von den Augen abzulesen und sich ganz und gar auf ihn einzustellen. In der Kindheit hat sie gelernt, ihre sensiblen Antennen auszufahren und zu spüren, was der andere gerade braucht.
Bernd möchte keineswegs Single sein und hat sich in den ersten Monaten richtig Mühe gegeben und unbewusst ganz auf Maja eingestellt, um sie zu binden. Er kann dieses „Spiel“ nun nicht mehr aufrechterhalten, wird wieder er selbst und kritisiert Maja.
Hier fängt es an, kompliziert zu werden.
Anstatt, dass Maja Grenzen setzt und Bernd erklärt, wie sie sich fühlt, spielt sie sein „Spiel“ mit. Sie wertet sein Verhalten als ihr Versagen, anstatt ihre natürlichen Grenzen zu achten und will aber nun erst recht alles richtig machen. Hierdurch versucht sie Bernd zu zeigen, dass sie alles für ihn tut und übernimmt bald jegliche Verantwortung für die Beziehung.
Sie selbst verliert dadurch den Bezug zu sich selbst und kann sich unter Umständen sogar völlig in der Partnerschaft aufgeben. Ihre Gefühle, Gedanken und ihr Handeln drehen sich dann nur noch um Bernd. Wahrscheinlich fühlt sie sich jedoch über kurz oder lang überfordert und ausgelaugt.
Beide handeln aus mangelndem Selbstwertgefühl und können dadurch in eine Symbiose geraten, die ihre unbewussten Bedürfnisse zu erfüllen scheint, sie jedoch nicht glücklich machen wird.
Wird dieses Beziehungsmuster nicht erkannt, lebt das Paar nach Regeln, die ihre Partnerschaft zwar aufrechterhält, sie aber nicht glücklich macht. Das ist für beide Seiten schwierig und vor allem ist es keine Liebe. Es ist eine Verstrickung, die die Freiheit beider einschränkt.
Beziehungsmuster „Die Sucht nach Liebe“
Es gibt Menschen, die süchtig nach Liebe oder Beziehungen sind. Dieses Beziehungsmuster ist besonders häufig in der Gesellschaft etabliert. Am Anfang einer Beziehung wird dies nicht unbedingt so schnell klar - der Verlauf ist oftmals subtil und schleichend.
Besonders betroffen sind Menschen mit geringem Selbstwertgefühl. Menschen, die sich oft selbst nicht genug sind und die sich in erster Linie über die Anerkennung und Zuwendung anderer definieren.
In der Praxis könnte das so aussehen: Sebastian ist nie über längere Zeit Single, allerdings halten auch seine Partnerschaften nie besonders lange. Aktuell ist er seit einem halben Jahr mit Nadine zusammen. Die erste große Verliebtheit war sehr intensiv, beide waren fast nur im Doppelpack unterwegs, teilten jede freie Minute miteinander. Inzwischen schleicht sich langsam der Beziehungsalltag ein. Nadine trifft sich auch wieder öfter mit Freundinnen, geht regelmäßig zum Yoga. Sebastian fühlt sich dadurch schnell zurückgesetzt. Er wirft Nadine vor, sie nehme ihn und die Beziehung nicht mehr wichtig genug, zweifelt ihre Gefühle an. Nach 8 Monaten trennt er sich deshalb von ihr, bleibt aber nicht lange allein. Schon nach drei Wochen kommt er mit Leonie zusammen, genießt die nächste große Verliebtheit. Sobald die allerdings wieder etwas abkühlt, wird Sebastian zunehmend unzufrieden und stellt die Beziehung erneut in Frage. Es dauert nicht lange und er verlässt Leonie für seine Arbeitskollegin Katharina, in die er sich Hals über Kopf verliebt hat.
Sebastians Beziehungsmuster wiederholt sich. Er ist auf permanente Wertschätzung und Bestätigung durch eine Partnerin angewiesen. Sobald er das Gefühl hat, davon in seiner aktuellen Beziehung nicht (mehr) genug zu bekommen, sucht er sie in einer anderen. Er ist angetrieben durch die Sucht nach Liebe. Der Single-Status ist deshalb für ihn keine Option. Er lässt sich schnell auf Beziehungen ein, die aber nur kurzlebig sind. Seine Partnerinnen wechseln häufig. Sie dienen ihm in erster Linie zur Selbstbestätigung und zur Erfüllung seiner emotionalen Bedürfnisse. Eine Partnerschaft auf der Basis von gegenseitigem Geben und Nehmen kann so nicht entstehen.
Beziehungsmuster „Bindungsangst“
Ausflüchte, Absagen, geplatzte Verabredungen, tagelange Funkstille bis hin zum Kontaktabbruch oder Ghosting: Menschen, die in enger werdenden Freund- oder Partnerschaften schnell überfordert und mit Rückzug reagieren, leiden oft unter Bindungsangst. Nicht selten suchen sie zunächst die Nähe anderer. Sich auf tiefergehende, verbindliche Beziehungen einzulassen und Verantwortung zu übernehmen, bringt sie dann jedoch an ihre mentalen und emotionalen Grenzen.
Woher dieses Verhaltensmuster kommt, wie es sich zeigt und wie Sie Bindungsphobiker meiden können, lesen Sie in unserem Beitrag über Bindungsphobie .
Die Lösung – so geht es weiter
Eine erfüllende Partnerschaft sieht anders aus und man kann sich fragen, ob man nicht doch lieber allein lebt und das Single-Leben genießt. Oder?
Wenn Sie sich in dem einen oder anderen Punkt wieder gefunden haben, gibt es glücklicherweise viele Möglichkeiten, den Weg zu einer gesunden und glücklichen Partnerschaft zu finden. Denn solche Verbindungen sind nicht unbedingt zum Scheitern verurteilt.
Hinweis: Der Grad der Abhängigkeit kann ganz unterschiedlich und individuell sein, wie jeder Mensch eben auch. Wenn die Verletzungen oder Verstrickungen zu groß sind, kann es sicherlich sinnvoll sein, sich fachliche, professionelle Unterstützung, z. B. durch einen Paartherapeuten oder einen Psychotherapeuten, zu holen.
Der wichtigste Schritt dabei ist es, sich diese Beziehungsmuster bewusst zu machen, es zu beenden oder bewusst mit ihm zu leben.
Wenn Sie gerade Single sind, ist es doch wirklich eine gute Gelegenheit, einmal eine beendete Partnerschaft unter die Lupe zu nehmen, um mögliche Fehler in Zukunft zu vermeiden.
Wenn Sie gerade eine Beziehung führen, lohnt es sich sicherlich ebenso hinzuschauen und daran zu wachsen.
Tools und Tipps, um Beziehungsmuster aufzudecken:
- Ein Beziehungstagebuch schreiben
Schreiben Sie ganz frei und ohne Wertung alle Gefühle auf, die zum Thema hochkommen. Es wird Ihnen Aufschluss über Ihr Innerstes geben. - Das innere Kind
Malen Sie ein Bild oder schreiben Sie einen Brief an Ihr inneres Kind, lassen Sie wieder alles ohne Wertung zu und fühlen Sie, was passiert. (Sie finden hierzu auch Buchempfehlungen von Stefanie Stahl auf unserer Seite) - Rollen in der Familie
Schreiben Sie auf, welche Rollen Sie in Ihrem Leben spielen (mussten/müssen) und fragen Sie sich, welche wirklich zu Ihnen gehören und ob Sie sie weiterhin spielen wollen. Hier helfen auch Familienaufstellungen nach Bert Hellinger.
Dies sind spannende und heilende Helfer, die die Problematik ins Bewusstsein holen.
Leseempfehlungen zum Thema „Beziehungsmuster erkennen“:
Zur Vertiefung des Themas gibt es auch viel Lesenswertes , so z. B. das Buch „beziehungsweise – Beziehung kann man lernen“ von Vivian Dittmar oder „Ich brauche deine Liebe – ist das wahr?“ von Byron Katie.
Erkannt, besprochen und geklärt, können Sie den Weg in eine freudvolle Beziehung ebnen.
Und das wünschen wir uns doch alle.
„Bewusstsein ist der stärkste Katalysator des Wandels.“
Eckhard Tolle
Sie interessieren sich für die Themen Partnersuche, Partnerschaft und Beziehungsarbeit und möchten gerne noch mehr dazu lesen?
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- Wo und wie die Liebe anfängt
- Wie steige ich am besten in die Partnersuche ein
Sabine Meiring, systemischer Coach
(überarbeitet vom Redaktionsteam no-longer-single.de)
06.08.2024