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„Gleiches zieht Gleiches an“ oder „Gegensätze ziehen sich an“?

„Der Computer Nr. 3 / Sucht für mich den richtigen Boy / Und die Liebe ist garantiert für beide dabei / Der Computer weiß genau / Für jeden Mann die richtige Frau / Und das Glück fällt im Augenblick /Aus seiner Kartei...“

sang France Gall 1968 mit »Computer Nr. 3« beim Deutschen Schlagerwettbewerb in Berlin und belegte damit den dritten Platz.

 

Wer passt zu mir?

Bereits 1950 warb ein Ehevermittlungsinstitut mit der Aussage „Liebe ist nichts Mysteriöses. Sie lässt sich wissenschaftlich vorausberechnen – und zwar elektrisch und automatisch!«. Die ersten Computer, die als „Matchmaker“ zur Ermittlung von passenden Partnern verwendet wurden, waren riesig und hatten Lochkarten als Datenspeicher.

Die Geschichte des Datings und der dazugehörige Versuch, aufzuschlüsseln, wie der perfekte Partner ermittelt werden kann, ist schon viel älter, als man annehmen möchte.

 

„Im Grunde gab es bereits in den 30er Jahren ein großes wissenschaftliches Interesse an der Partnerwahl und an den Paarbeziehungen. In den USA haben da vor allem Soziologen und Psychologen die Grundsätze einer glücklichen, das hieß vor allem langhaltenden Ehe untersucht“, so Dr. Michael Homberg vom Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Das Interesse daran, was eine zufriedene Ehe ausmacht, geht besonders auf die damals steigende Scheidungsquote zurück.

 

Heutzutage bieten unzählige Ratgeber, Persönlichkeitstests, Podcasts und Blogs Unterstützung bei der Partnerwahl. Auf allen Kanälen wird das Rezept für die große Liebe gesucht.

Besonders häufig stößt man dabei auf allen Niveaus auf diese zwei, im Volksmund bekannten Sprichwörter:

 

„Gleich und Gleich gesellt sich gern“ und die gegenteilige Aussage „Gegensätze ziehen sich an“.

 

Was stimmt denn nun?

Wer oder was zieht sich an? Diese Thematik ist Gegenstand zahlreicher Studien und beschäftigt Wissenschaft und Fachleute schon seit geraumer Zeit. Die Antwort ist vielschichtig und kann nicht in einem Satz gegeben werden.

 

Lassen Sie uns also genauer hinsehen und ausnahmsweise mit dem Fazit beginnen:

Beide Aussagen sind richtig. Sowohl Gleich und Gleich als auch Gegensätze ziehen sich an. Es kommt, wie so häufig, auf die Umstände und den Blickwinkel an. Doch schon hier soll gesagt sein, dass das Leben nicht berechenbar ist und jeder Mensch mit den unterschiedlichsten Prägungen und Bedürfnissen am Ende immer nur sein eigener Experte sein kann. Was uns hilft, darin meisterhaft zu werden, ist Bewusstheit, Achtsamkeit und Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Auch bei der Partnerwahl. Und dazu benötigen wir Wissen.

 

Gleich und Gleich gesellt sich gern - Die Strategie des Harmoniebestrebens

Entsprechend dem Fünf-Faktoren-Modell, den Big Five, das in der Persönlichkeitspsychologie international als universelles Standardmodell gilt, existieren fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit:
 

 

starke Ausprägung

schwache Ausprägung

Offenheit

aufgeschlossen für Neues, einfallsreich, experimentierfreudig

vorsichtig, konservativ, routiniert, skeptisch

Gewissenhaftigkeit

diszipliniert, sorgfältig, organisiert, genau

unbekümmert, nachlässig, locker

Extraversion

gesellig, energiegeladen, gesprächig, aktiv

zurückhaltend

Verträglichkeit

harmoniebedürftig, kooperativ, empathisch

egozentriert, wettbewerbsorientiert,

Neurotizismus

emotional, verletzlich, sensibel

selbstsicher, ruhig, stabil

 

Sind sich Partner in den Kategorien Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit ähnlich, so hat die Beziehung gute Chancen, lange zu halten und das in liebevollem Miteinander. Denn Gemeinsamkeiten in diesen Bereichen lassen weniger Konfliktpotential entstehen.

In einer Liebesbeziehung zweier Menschen, die sich beim Faktor Gewissenhaftigkeit stark unterscheiden, könnte dies zum Beispiel zu ständigen Auseinandersetzungen führen. Ein Partner ist ordentlich und benötigt viel Struktur im Alltag, während der andere sich dadurch eingeschränkt und bedrängt fühlt. Die Charaktereigenschaften werden häufig kritisiert und problematisiert, was dazu führen kann, dass beide sich nicht mehr richtig und angenommen fühlen.

 

Beatrice Rammstedt, Psychologin und Privatdozentin am Mannheimer Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften und Jürgen Schupp vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung haben die Persönlichkeitsmerkmale von mehr als 6.000 Paaren nach den Richtlinien der Big Five untersucht.


Sie fanden heraus, dass die Paare bei den bereits erwähnten Merkmalen Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit deutliche Übereinstimmungen aufwiesen, besonders bei langjährigen, stabilen Beziehungen. Dass dies nur daran liege, dass Paare sich über die Jahre aneinander anpassen, wird nicht angenommen. Denn diese grundlegenden Eigenschaften lassen sich nicht ohne Weiteres ändern.

Wonach wir alle suchen, wenn auch nicht bewusst, ist Sicherheit. Ähnlichkeit schafft Sicherheit und Nähe. Je ähnlicher der Auserwählte, desto müheloser ist es, ihn einzuschätzen und sein Verhalten vorherzusagen.

 

Die beiden amerikanischen Verhaltensforscher Stephen Emlen und Peter Buston befragten in einer Studie knapp 1000 Versuchspersonen im Alter zwischen 18 und 24 Jahren. Die Probanden gaben an, welche Eigenschaften ihnen bei einem festen Partner wichtig seien. Im Anschluss sollten sie sich selbst bezüglich dieser Qualitäten einschätzen. Die Auswertung der Angaben wies deutliche Übereinstimmungen zwischen Selbstbild und bevorzugten Eigenschaften des Partners auf. „Offensichtlich suchen wir ein Gegenüber, das möglichst viele Wesensmerkmale und Einstellungen mit uns teilt“, so Emlen. Weiterhin betont er: „Langdauernde Beziehungen bestehen durch gemeinsame Werte, ähnliche Interessen, ähnliche familiäre Herkunft und intellektuelle Bedürfnisse“.

 

Die Studie bestätigt, wie bedeutend folgende Frage für das Zustandekommen einer tragfähigen Beziehung ist:

Wie gut kenne ich mich selbst?

  • Was ist mir wichtig im Leben? Welche Werte habe ich?
  • Wie stelle ich mir eine Partnerschaft vor? Möchte ich einen gemeinsamen Haushalt, möchte ich Kinder?
  • Wie viel Intimität möchte ich, wie viel Nähe brauche ich?

 

Gegensätze ziehen sich an - Wärme durch Reibung

Bleiben wir noch bei den Big Five. Was ist mit den beiden verbleibenden Faktoren Extraversion und Neurotizismus? “Hier zeigt sich deutlich, dass ein unterschiedlicher Zugang auch günstig sein kann”, so Beatrice Rammstedt. Treffen Menschen mit gegensätzlichen Ausprägungen dieser Kriterien aufeinander, so kann sich dies unterstützend auswirken. Eine zurückhaltende Person genießt vielleicht die gesellige Art eines extrovertierten Partners und profitiert in sozialen Situationen sogar davon. Und andersherum: Gleichen sich die Partner in diesen Punkten zu sehr, so können sie zu Konkurrenten werden. Dasselbe gilt für Neurotizismus. Auch hier tut zu viel Gleiches nicht gut. Stellt man sich zwei sehr emotionale und verletzliche Menschen zusammen vor - man ahnt, wozu dies führen kann.

Gewisse Unterschiede in Einstellungen und Sichtweisen führen oftmals auch zu Fortschritt und helfen uns dabei, unseren Horizont zu erweitern.

 

Die größte Anziehungskraft von Gegensätzen finden wir, wenn es um das Thema Körperlichkeit und Fortpflanzung geht. Denn hier machen sie besonders Sinn. Das Erbgut soll möglichst gut gemischt werden. So bevorzugen Frauen den Körpergeruch von Männern mit möglichst unterschiedlichem Immunsystem. Die Chemie kann hier zu großem Begehren und heftigen Gefühlen von Verliebtheit führen. Auch optische Gegensätze können faszinierend wirken. Immer wieder auflodernde Leidenschaft kann eine starke Säule in einer Beziehung sein und eine besondere Qualität von Nähe und Vertrautheit schaffen.

 

 

Ein zweites Fazit:

Nach wie vor ziehen sich sowohl Gegensätze als auch Gleiches an. Für eine funktionierende Partnerschaft benötigt es in bestimmten Bereichen ein höheres Maß an ähnlichen Persönlichkeitsmerkmalen, um grundsätzliche Konflikte zu vermeiden.

Zwei wesentliche Zutaten, die für das Gelingen einer Partnerschaft, für das Leben im Allgemeinen von großer Bedeutung sind, sollen hier noch erwähnt werden: Respekt und Wohlwollen.

Diese Eigenschaften kann man sich aneignen und sie sollten auch trainiert werden. Wie häufig fälschlicherweise angenommen, kommt die Liebe nicht ohne Wartung und Überprüfung aus.


Hast du, was mir noch fehlt? - Lebst du meine Wünsche schon?

Wir verlieben uns nicht einfach in irgendjemanden. Es ist die Sehnsucht nach Ganzheit, die uns antreibt. Je nachdem, wo im Leben wir gerade stehen, was uns wichtig erscheint, sehnen wir uns, meist unbewusst, nach bestimmten Ergänzungen. Wir verlieben uns in einen Menschen, der uns ahnen lässt, dass er uns etwas Fehlendes geben kann.

 

So sucht sich ein Mensch in einer Phase der Antriebslosigkeit vielleicht einen Partner mit Tatendrang, der gerne Anweisungen und Ratschläge gibt. Dies kann zu einer fruchtbaren Verbindung und der Lösung der Thematik führen - oder dazu, dass der Partner die Funktion einer Krücke hat, das eigentliche Thema jedoch nicht gelöst wird.

 

Psychologen vermuten, dass man Partner nicht nur in Bezug auf ähnliche Wertvorstellungen und Persönlichkeitsmerkmale aussucht. Ob ein Mensch einem bei der eigenen Entwicklung, unbewussten Lebensthemen und der Erfüllung von ungelebten Sehnsüchten helfen kann, spielt wahrscheinlich eine entscheidende Rolle.

 

Laut der Imago-Paartherapie hat das, was uns fehlt, mit idealisierten Bildern der Eltern oder anderen Bezugspersonen der frühen Kindheit zu tun. Bestimmte innere Muster mit den Wurzeln in Kindheitserlebnissen führen dazu, einen Partner zu wählen, der diesen Personen im positiven oder negativen Sinne ähnelt.

 

Alte, unerfüllte Bedürfnisse und Sehnsüchte werden in der Verliebtheit wieder lebendig. So manch einer hatte schon einmal das Gefühl, mit jemandem nach kurzer Zeit sehr vertraut zu sein, als ob man sich schon ewig kennt. Häufig ist dies auf die Hoffnung zurückzuführen, dass diesmal die unerledigten Thematiken erlöst werden. Demnach liegt die Vermutung nahe, dass Beziehungen in erster Linie eine Spiegelfunktion haben. Dass sie uns helfen, ungelöste Themen und alte Muster zu bearbeiten, Sehnsüchte zu erfüllen und die Bandbreite an Erfahrungen zu erweitern.

 

Um ein wenig Klarheit in die vernebelten Bereiche des Unbewussten zu bringen, hilft es oftmals, sich Fragen wie die Folgenden zu stellen:

  • Wonach suche ich?
  • Was kann und will ich geben?
  • Welche Bedürfnisse wurden mir nicht erfüllt?
  • Was kann und will ich vom Partner annehmen?
  • Was haben meine Ex-Partner gemeinsam und was fehlt mir demnach?
  • Erkenne ich ein Beuteschema bei mir?

 

Denn ein Beuteschema spiegelt unser unbewusstes Innenleben. Die Bilder, aus denen es sich speist, sind umso verzerrter, je unterdrückter und unklarer die Bilder im eigenen Inneren sind. Im Umkehrschluss ist damit der passende Partner umso klarer zu erkennen, je befreiter und schärfer die Bilder im Inneren sind.

 

So schließt sich der Kreis - und wieder zeigt sich, dass eine erfüllte Beziehung immer auch mit der eigenen Bewusstheit zusammenhängt.

 

Zum Schluss

Der Anziehung grundlegendste Kraft ist die Polarität. Die Pole bedingen sich gegenseitig, Ganzheit entsteht. Durch das Zusammenspiel von Gegensätzen entsteht Lebendigkeit. In uns ist ständig Polarität am Wirken. Das Zusammenwirken aus den unzähligen Komponenten kann nie endgültig begriffen und nur zu einem geringen Teil beeinflusst werden.

Was tun? Entspannen, beobachten und genießen was - und auch wer da wohl kommt.

 

Sie interessieren sich für die Themen Partnersuche, Partnerschaft und Beziehungsarbeit und möchten gerne noch mehr dazu lesen?

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Katharina Berger, Entspannungstherapeutin/Lebensberaterin

13.09.2021